Bethel - Gemeinschaft verwirklichen!
Senioren Union Herscheid besuchte die von Bodelschwinghschen Anstalten
in Bethel bei Bielefeld.
Dass die Senioren Union Herscheid kein Reiseverein
ist, der ausschließlich Vergnügungsfahrten anbietet,
darauf hatte Ortsvorsitzender Wolfgang Weyland bereits während
der diesjährigen Mitgliederversammlung hingewiesen und die
Ziele vorgegeben: "Obwohl unsere öffentlichen Veranstaltungen
und Reisen von der Geselligkeit und der Förderung des Gemeinschaftslebens
getragen sind, stehen doch immer wieder kulturelle, soziale und
gesellschaftliche Anliegen im Mittelpunkt unserer Aktivitäten".
Ein weiterer "Beweis" dieser Aufgabenstellung
erfolgte unlängst durch eine hoch interessante Tagesfahrt
zu den von Bodelschwinghschen Anstalten nach Bethel bei Bielefeld.
52 Reiseteilnehmer konnten sich an Ort und Stelle von der gemeinnützigen,
kirchlichen Stiftung überzeugen, die seit 1867 ihren segensreichen
Dienst an kranke und behinderte Menschen leistet.

Bereits bei der Begrüßung in "Dankort"
am Quellenhofweg durch die Öffentlichkeitsreferentin Kathrin
Christine Steinkamp wurde sichtbar, mit wie viel Herzlichkeit,
Zuneigung und Hilfsbereitschaft in Bethel gewirkt wird. Da Bethel
in der Übersetzung aus dem Hebräischen "Haus Gottes"
bedeutet, spürt man auf Schritt und Tritt, dass die christliche
Nächstenliebe Programm dieser Einrichtung ist.
In der großen Eingangshalle wird der
Blick des Besuchers sofort auf die zehn Wandplastiken gelenkt,
die in ihrer unterschiedlichen Materialgestaltung die Zehn Gebote
eindrucksvoll hervorheben. Ob die jeweiligen Darstellungen aus
Holz, Stoff, Keramik oder Metall angefertigt sind, jedes Gebot
verfehlt in der klaren Aussagekraft nicht seine Wirkung. Das Foto
mit dem 1. Gebot soll an dieser Stelle für die vielen anderen
Kunstwerke stehen.

Der anschließende Vortrag von Frau Steinkamp
entwickelte sich zu einer interessanten und lebendigen Gesprächsrunde.
Die Referentin verstand es in ihrer rhetorisch professionellen
und überzeugenden Art, die Zuhörer mitzunehmen und anschaulich
über das weite Arbeitsfeld der evangelischen Stiftung zu
berichten. Dabei entwickelte sich ein lebhaftes "Frage- und
Antwortspiel", wobei die Herscheider Reisegruppe durchaus
mithalten konnte. Die gezielten Beiträge verrieten, dass
ein gewisser Informationsstand durchaus vorhanden ist.
Aus der Historie konnte Frau Steinkamp berichten,
dass im Jahre 1867 auf Initiative des rheinisch-westfälichen
Provinzialausschusses der Inneren Mission und mit Unterstützung
von Bielefelder Bürgern und Kaufleuten die gemeinnützige,
kirchliche Stiftung gegründet wurde. Bereits 1872 übernahm
der Landwirt und Pastor Friedrich von Bodelschwingh die Leitung.
Es war eine Zeit, in der die Industrialisierung erhebliche Fortschritte
machte und damit verbunden auch soziale Brennpunkte entstanden.
So wuchsen die Aufgaben in Bethel, sah es doch Friedrich von Bodelschwingh
als seine Hauptaufgabe an, sich um "den Mann von der Straße"
zu kümmern, "damit keiner verloren geht". So konnten
vor allem Jugendliche versorgt werden, die an Epilepsie erkrankt
waren.

Im Laufe der Jahrzehnte entwickelten sich
die drei tragenden Säulen: "Stiftungen Anstalt Bethel",
"Westfälische Diakonissenanstalt Sarepta" und die
"Westfälische Diakonenanstalt Nazareth" zu segensreichen
Einrichtungen. "Alle Menschen", so die Vortragende,
"sollen in ihrer Verschiedenheit zusammen leben, lernen und
arbeiten können - mehr oder weniger behinderte, mehr oder
weniger leistungsfähige, jüngere und ältere Menschen,
Menschen unterschiedlicher kultureller Herkunft und religiöser
Prägung. Und da jeder Mensch ein Geschöpf Gottes ist,
hat er von daher seine Würde, unabhängig davon, ob
er gesund oder krank, behindert oder nicht behindert ist. Aus
diesem christlichen Grundverständnis leitet sich der Auftrag
Bethels her".
Da viele Menschen auf Hilfe, Begleitung und
Unterstützung angewiesen sind, um ein menschenwürdiges
und möglichst selbstbestimmtes Leben in der Gesellschaft
führen zu können, setzten sich die Mitarbeiter mit ganzer
Kraft für diesen Personenkreis ein. Wie sich diese Gemeinschaft
verwirklichen lässt, machte Frau Steinkamp beispielhaft
an den Ortschaften Bethel, Eckardtsheim, Freistatt, Homborn und
Lobetal der von Bodelschwinghschen Anstalten deutlich. In diesen
Orten gibt es Kirchen, Kindergärten, Schulen, Sport- und
Freizeiteinrichtungen, Handwerksbetriebe, Werkstätten, Ausbildungsstätten
und Einkaufsmöglichkeiten. In der Ortschaft Bethel gibt es
darüber hinaus den integrativen Radiosender "Antenne
Bethel". Hier machen seit über fünf Jahren Menschen
mit und ohne Behinderung täglich ein aktuelles Radiprogramm.
Die Herscheider Senioren wurden von der Vortragenden
umfassend über das zentrale Arbeitsgebiet der von Bodelschwinghschen
Anstalten informiert. Es sind: die Behinderten-, Jugend-, Alten-
und Wohnungslosenhilfe, Epilepsie, berufliche Rehabilitation,
Psychiatrie und die Versorgung in Akutkrankenhäusern sowie
die Hospizarbeit und die Hilfen für Menschen mit Autismus
und mit erworbenen Hirnschädigungen.
Rund 14.000 Mitarbeiter arbeiten insgesamt
in diesen Einrichtungen. Hier zeigt sich, was Bethel schon immer
prägte: das Bestreben, gezielt fortschrittliche Konzepte
und Angebote dort zu entwickeln, wo Menschen bisher in ihrer
Not allein gelassen werden. Diagnose und Therapie, gerade auf
dem Gebiet der Epilepsie - einer hirnorganischen Störung
- werden ständig weiterentwickelt und es wird wissenschaftlich
geforscht. Neueste medizinische Erkenntnisse werden einbezogen.
Hier ist Bethel europaweit führend. So bewahrheitet sich
auch auf diesem Gebiet einer der Grundsätze Bethels: "Neue
große Nöte bedürfen neuer mutiger Gedanken".
Die anschließende, etwa 30-minütige
Filmvorführung vertiefte noch einmal das bisher Gesagte und
machte den Gesamtkomplex der Stiftung deutlich. So erfuhren die
Anwesenden, dass auf dem 5,5 Quadratkilometern Bethels 5.500 Menschen
mit erstem Wohnsitz gemeldet sind und zwar Menschen mit und ohne
Behinderung. Die über 200 Standorte Bethels gelten als die
größte diakonische Einrichtung Europas mit jährlich
85.000 Kontakten. Rund 20.000 Betten und Plätze in Krankenhäusern,
Heimen, Kindergärten, Schulen, Ausbildungsstätten und
Werkstätten für behinderte Menschen sind vorhanden.
Hinzu kommen zahlreiche ambulante Angebote, damit die Menschen
auch zu Hause in ihren eigenen vier Wänden versorgt werden
können.
Der erste Teil des Besuchsprogramms wurde
abgeschlossen mit einem Mittagessen im Hotel Lindenhof - einem
überaus anspruchsvollen Restaurant mit historischem Ambiente.
Auch hier zeigte sich, wie sich die integrative Kraft von behinderten
und nicht behinderten Menschen positiv auf die Arbeitswelt auswirkt.
Danach unternahmen die Herscheider eine Rundfahrt
durch das gesamte Areal, um so einen Eindruck von dem Ausmaß
der Anlage zu bekommen. Das Alte Pförtnerhaus, Kinderklinik,
Handweberei, Gemeinschaftswerkstätten, Quellenhof, Missionshaus,
Jugendgästehaus, Brockensammlung, Postamt und Hauptverwaltung,
um nur wenige zu nennen, sind Beispiele für das weit verzweigte
Netz des Gebäudekomplexes. In der Historischen Sammlung konnten
sich die Senioren davon überzeugen, wie bescheiden und doch
wirksam die ersten Schritte in Bethel erfolgten. Nach heutigen
Erkenntnissen unvorstellbare Bedingungen.
Viele Ausstellungsstücke rund um den Wirkungskreis und Lebensbereich
Friedrich von Bodelschwinghs sind erhalten geblieben und lassen
erahnen, wie die Menschen seinerzeit gelebt haben und mit welch
einfachen Mitteln die angebotenen Dienste versehen wurden.
Im Werkstattladen konnten sich die Besucher
von der Vielseitigkeit des handwerklichen Könnens der Bewohner
überzeugen. Viele Holzarbeiten werden hier zum Verkauf angeboten,
wovon reichlich Gebrauch gemacht wurde.
Bevor der Nachmittag mit einem Kaffeetrinken
beendet wurde, stand noch die Besichtigung der 1884 eingeweihten
Zionskirche an. Ein Gotteshaus, das schon weihnachtlich geschmückt
war und unter der Kanzel eine wunderschöne Krippe beherbergt.
In diesen Tagen und Wochen wird sie ständig durch neue Figuren
ergänzt, bis sie zum Weichnachts- bzw. Epiphanias-Fest komplett
ist.
Das abschließende Kaffeetrinken in der
Neuen Schmiede entwickelte sich für die Senioren zu einem
besonderen Erlebnis. Unter Anwesenheit von Personen der Integrativen
Öffentlichkeitsarbeit hatten die Herscheider Gelegenheit,
mit den jeweiligen Bewohnern Bethels zu sprechen. An den einzelnen
Tischen mischten sie sich unter die Besucher, so dass sehr schnell
ein Gespräch zustande kam. Auffallend, wie ungezwungen und
spontan Kontakte entstanden und wie offen die Menschen in ihrer
unterschiedlichen Behinderung über ihre Lebensweise berichten.
Man merkte es ihnen an, dass sie in Bethel bestens aufgehoben
sind und dass alles getan wird, um ihnen einen menschenwürdigen
Aufenthalt zu ermöglichen. Am Schluss des gemeinsamen Zusammentreffens
waren alle davon überzeugt, eine bereichernde Lebenserfahrung
gewonnen zu haben.
Bevor Frau Steinkamp die Bethel-Besucher verabschiedete
und ihnen eine "behütete Heimreise" wünschte,
dankte ihr Wolfgang Weyland für die äußerst interessante
und hoch motivierte Führung. Er hob die besondere Wichtigkeit
Bethels für die hier lebenden Menschen hervor und bat "seine
Senioren", diesen Tag nicht zu vergessen und dies u. a. auch
dadurch zum Ausdruck zu bringen, mehr denn je diese Einrichtung
durch ihre Spendenbereitschaft finanziell zu unterstützen.
Im Namen der Senioren Union Herscheid überreichte er Frau
Steinkamp einen Geldbetrag - und wie es bei der Senioren Union
üblich ist - einen Herscheider Spiekus.

Der Tag schloss mit einem zweistündigen
Besuch des Weihnachtsmarktes in der Bielefelder Altstadt, rund
um die Nikolaikirche.

Wolfgang Weyland, Vorsitzender der Senioren
Union Herscheid