Senioren Union

 

 

Senioren Union Herscheid auf den "Spuren Friedrich von Schillers"
06.12.2007

Nikolausfahrt zur Glockengießerei Gescher und zum Weihnachtsmarkt nach Münster.
Wer Schillers „Lied von der Glocke“ kennt und in diesem Bewusstsein eine Glockengießerei-Besichtigung unternimmt, der ist fasziniert, wie eng Dichtung und Realität beieinander liegen. Das unübertroffene Meisterwerk deutscher Lyrik ist ein eindrucksvolles Spiegelbild dessen, was bei einem Glockenguss auch heute noch vor sich geht und die jeweiligen Arbeitsabläufe bestimmt.

Davon konnten sich am Nikolaustag 52 Reiseteilnehmer der Senioren Union Herscheid überzeugen, die eine Fahrt zur Glockengießerei Petit & Gebr. Edelbrock nach Gescher unternahmen. Erste Überraschung: Der „Nikolaus“ hatte im Bus für jeden Mitfahrenden einen Stutenkerl parat, der dankbar entgegen genommen wurde. Das Restaurant „Zur Krone“ im Herzen Geschers, ein urgemütliches Haus, das eine behagliche Atmosphäre ausstrahlt, wurde zunächst angesteuert. Hier stärkten sich die Senioren bei einem guten Mittagessen, dem so genannten „Glockenteller“, wobei anschließend ausreichend Zeit blieb, um in geselliger Runde Kontakte zu pflegen.

Nur wenige Gehminuten waren es, die vom Hotel zur Glockengießerei führten. Auffallend das schmucke Ortsbild in seiner typischen Bauweise, die das Münsterland in weiten Teilen prägt. Die rund 17.000 Einwohner zählende Kleinstadt im Herzen des westlichen Münsterlandes präsentiert sich als eine touristische Attraktion. Landschaft, Wander- und Radwege aber auch die geschlossenen und doch vielfältig gestalteten Häuserfronten sind einladende Besonderheiten. Abgerundet wird das Bild dadurch, dass Gescher über vier Museen in seinen Mauern verfügt: Glocken-, Imker-, Kutschen- und D(T)orfmuseum Hochmoor. Der seit 1790 angesiedelten Glockengießerei Petit & Edelbrock verdankt Gescher den Ruf als Glockenstadt.

Zu Beginn der Betriebsführung hatten die Herscheider Gelegenheit, sich im Verkaufsraum über das reichhaltige Angebot der produzierten Erzeugnisse zu informieren. So erfuhren sie, dass nicht nur Glocken hergestellt werden, sondern eine Fülle künstlerischer Arbeiten: Kunstgüsse in Bronze, Messing und Aluminium, Plastiken und Reliefs, Portale und Schrifttafeln, Wasserspiele und Brunnenanlagen, sakrale Einrichtungen nach Modellen – um nur wenige zu  nennen.

Hochinteressant verlief der Rundgang unter sachkundiger Leitung. Zunächst erfuhren die Anwesenden, dass Glocken meist durch Gießen in eine Form hergestellt werden. Unterschieden wird zwischen Lehm-, Sand- und Zementformverfahren. Das verwendete Gussmaterial – als  „Glockenspeise“ bezeichnet – besteht aus 76-80 % Kupfer und aus 20-24 % Zinn. Die geschilderten Arbeitsgänge sind plausibel, machen aber deutlich, wie langwierig der Prozess ist: Mauerung eines innen hohlen Glockenkerns, der mit Lehm bestrichen wird, Abziehung der Lehmschicht mit einem rotierenden Schaber, Aufbringung eines Trennmittels, darauf erneut eine Lehmschicht, die die spätere Form der Glocke hat. Sie wird als „falsche Glocke“ bezeichnet.

Nach dem Trocknen werden alle Verzierungen und Schriften auf Wachs angebracht. Auf die Wachsschicht kommen mehrere Schichten Lehm, damit sich auch die Verzierungen im Lehm abbilden. Diese äußere Form wird als „Mantel“ bezeichnet. Ist sie fertig, wird sie mit einem Feuer im hohlen Kern im Ganzen ausgebrannt. Anschließend wird der Mantel abgehoben und die falsche Glocke zerschlagen. Danach wir der Mantel wieder aufgesetzt. Zwischen Kern und Mantel ist nun ein Hohlraum.
Zum Guss wird die Grube, in der die Glockenformen stehen, mit Erde verfüllt und ordentlich verdichtet, damit die Formen den beim Gießen entstehenden Druck aushalten können. Unwillkürlich wird man in diesem Augenblick an Schillers Werk erinnert, wo es im ersten Absatz heißt: „Fest gemauert in der Erden steht die Form, aus Lehm gebrannt. Heute muss die Glocke werden. Frisch Gesellen, seid zur Hand. Von der Stirne heiß rinnen muss der Schweiß, soll das Werk den Meister loben, doch der Segen kommt von oben...“

Über Rinnen wird die erhitzte Glockenspeise bei etwa 1.150 Grad durch das Gussloch in die Form geleitet. Nach mehrwöchiger Abkühlzeit kann die Glocke aus der Form geholt werden, wobei erst dann sichtbar wird, ob der Guss gelungen ist. Als Termin für den Guss wird traditionell der symbolträchtige Freitagnachmittag um 15 Uhr – die Sterbestunde Jesu Christi – gewählt.

Nach den umfassenden Erläuterungen hatten die Senioren Gelegenheit, die verschiedensten Glocken, die sich noch im Werk befanden, in ihren unterschiedlichsten Größen zu bestaunen. Unter dem Eindruck, welche Arbeitsprozesse zur Glockenherstellung erforderlich sind, wird sicher so mancher Reiseteilnehmer das Geläut der heimischen Glocken auch unter diesem Gesichtspunkt wahrnehmen.

Den Abschluss des Tages bildete ein Aufenthalt auf dem Weihnachtsmarkt in Münster. Es war das erste Mal, dass es bei einer Reise der Senioren Union Herscheid regnete, so dass der Markt nicht in vollem Umfang besucht werden konnte. Dennoch hinterließ das weihnachtliche Gesamtbild am Prinzipalmarkt mit seinen vielen Giebellichtern und den regengeschützten Arkaden einen stimmungsvollen Eindruck. Und: Statt am Glühweinstand zu stehen, zog man den Aufenthalt in einem der zahlreichen Cafes vor.

 

Senioren Union Herscheid
 
Stein am Ortseingang Stein am Ortseingang