Senioren Union Herscheid:
Industrielle Kulturlandschaft Zollverein Essen hautnah erlebt
11.03.2009

„Kohle, Koks und Kumpel“, das war nicht nur ein Markenzeichen des Ruhrgebietes, sondern das ist es auch heute noch, dank der vier erhaltenen Schachtanlagen in Essen, die, wenn auch stillgelegt, ein anschauliches Zeugnis der einstigen Kohleförderung vermitteln. Kurz; die „industrielle Kulturlandschaft Zollverein“ steht heute exemplarisch für die Kohle fördernde und verarbeitende Industrie des 19. und 20. Jahrhunderts. Der Zollverein ist die weltweit einzige Anlage dieser Art, ein Symbol für die Industriekultur im Ruhrgebiet, jener deutschen Region, die von der sozialen, ökonomischen und industriellen Geschichte des Kohle- und Stahlzeitalters bis heute geprägt ist wie keine andere.

Davon konnten sich unlängst 50 Teilnehmer der Senioren Union Herscheid überzeugen, die ein umfangreiches Besichtigungsprogramm in Essen zu absolvieren hatten. Doch bevor es soweit war, wurde bei Kerzenschein in der historischen Kompressorenhalle das Mittagessen eingenommen. Im rauen Charme der ehemaligen Industriehalle konnten bereits erste Eindrücke gewonnen und die Neugier auf das Bevorstehende geweckt werden.

Der anschließende Rundgang durch einen Teilbereich des Areals wurde zu einem kurzweiligen, mitunter auch anstrengendem Erlebnis. Aufgeteilt in drei Gruppen erhielten die Besucher umfassende Informationen über die Förderung des „schwarzen Goldes“ und zwar von den Anfängen bis hin zur Stilllegung im Jahre 1986.

Die großen Kohlevorräte an der Ruhr, die durch Bohrungen nachgewiesen worden waren, galten im 19. Jahrhundert als der Energieträger der Zukunft. So ist es dem Duisburger Industriellen Franz Haniel zu verdanken, der 1847 dreizehn zusammenhängende Grubenfelder im Essener Norden kaufte und den Grundstein für einen wirtschaftlichen Aufschwung in der Region legte. Mit vielen Zahlen unterlegt blieb im Gedächtnis erhalten, dass im Jahr der Erstförderung 1851 mit 256 Bergleuten 13.000 t Kohle ans Tageslicht gebracht wurden. Bis 1890 hatte sich die Belegschaft verzehnfacht, und die Fördermenge war mit 1 Mio. Tonnen auf das 75-fache explodiert.

Äußerst anschaulich wurde den Senioren das harte Leben der Bergleute geschildert, die unter schwersten Bedingungen ihre Arbeit zu verrichten hatten. Durch die stetige Erschließung immer neuer Grubenfelder nahm der Bau entsprechender Schachtanlagen zu. Bis zum Ausbruch des Ersten Weltkrieges wuchs die Anlage auf insgesamt zehn Schächte. Stetige Modernisierungen und Kapazitätssteigerung aber auch Rationalisierungen und Anpassungen an wirtschaftliche Gegebenheiten stellten die Zeche Zollverein vor immer neue Herausforderungen. Mit 12.000 t täglicher Kohleförderung war Zollverein die größte Zeche des Ruhrgebietes. Im Vergleich zu den Anfängen wurde an einem Tag gefördert, wozu man 1851 ein ganzes Jahr gebraucht hatte.

Nicht ohne Stolz wies das Führungspersonal darauf hin, dass Zollverein als die größte Zeche des Reviers und die „schönste Zeche der Welt“ galt. Architektonisch im Stil der Neuen Sachlichkeit gehalten, wurde den Herscheidern vom Dach der Kohlenwäsche das gesamte Gelände erläutert. Ein eindrucksvolles Panorama, das den Blick auf den 55 Meter hohen Doppelbock, das Fördergerüst, die Kokerei und das Kesselhaus freigibt. Die Silhouette von Essen, Gelsenkirchen und den umliegenden Orten rundet den Gesamtkomplex ab und macht deutlich, dass das Ruhrgebiet heute eine wichtige Kulturlandschaft im Gesamtgefüge unseres Landes ist.

Im weiteren Verlauf des Besuchsprogramms erhielten die jeweiligen Gruppen Informationen über die Arbeitsabläufe der Bergleute. Das umfangreiche Handwerkszeug konnte dabei ebenso in Augenschein genommen werden wie die reichhaltige Produktpalette der geförderten Kohlesorten.

Ein wehmütiger Unterton bei den Gruppenführern klang durch, als sie vom Ende des Kohlezeitalters sprachen. Zollverein konnte trotz aller Rationalisierungsmaßnahmen dem Kostendruck ausländischer Kohleförderung nicht Stand halten. Am 23. September 1986 fuhr die letzte Schicht nach 135 Jahren Bergbaubetrieb ein. Damit schloss die letzte Essener Zeche ihre Tore. Am 30. Juni 1993 folgte auch die Kokerei. Eine Ära ging zu Ende.

Doch mit der Stilllegung begann der Neuanfang durch Umnutzung. Heute ist Zollverein einziges UNESCO-Welterbe und bekanntestes Industriedenkmal im Ruhrgebiet. An diesem authentischen Ort ist die Geschichte des Ruhrgebiets lebendig und erfahrbar. Allein im Jahr 2007 zählte die Zeche 800.000 Besucher. Über eine Millionen werden 2010 erwartet, wenn Zollverein einer der zentralen Anlaufpunkte der Kulturhauptstadt Europas sein wird.

So haben sich die Pioniere der Zeche durchgesetzt, die mutig, entschlossen und visionär die Gebäude sanierten und den Ort für Kunst und Kultur öffneten. Damit wurde Zollverein zum Symbol des Strukturwandels zwischen Rhein und Ruhr. Eventfläche, Designausstellung, sanierte Kohlenwäsche, Park für Erholungssuchende, Kreativzentrum und das Ruhr Museum in der Kohlenwäsche sind Beispiele einer gelungenen Neuorientierung. War die Kohlenwäsche einst das Herzstück der Zeche, ist sie heute das Portal der Industriekultur. Zollverein ist Arbeitsstätte für 1.000 Menschen: Kreative, Ingenieure und Künstler. Sie füllen die einst „verbotene Stadt“ mit neuem Leben.

Nach diesen nachhaltigen Informationen kamen die Herscheider Senioren erneut im Restaurant/Cafe der Kompressorenhalle zusammen, um bei Kaffee und Kuchen den Tag ausklingen zu lassen.

 

 

 

Senioren Union Herscheid
 
Stein am Ortseingang Stein am Ortseingang